Nach langer Krankheit starb am 3. Februar der langjährige Verlagsleiter und Cheflektor von J.B. Metzler, Dr. Bernd Lutz.
Bernd Lutz wirkte 36 Jahre lang, von 1969 bis 2005, als Verlagsleiter und Cheflektor des Verlags J.B. Metzler. Er hat das deutschsprachige Publizieren in den Geistes- und Kulturwissenschaften der 1970er bis 1990er Jahre als kluger und leidenschaftlicher Lektor und Verleger mitgeprägt. Als junger, in Heidelberg promovierter Germanist und Philosoph kam er nach einer ersten Station beim Hanser-Verlag 1970 zu Metzler und führte den Verlag aus seiner zwischenzeitlichen Randständigkeit heraus, indem er den Anschluss an die wissenschaftlichen und politischen bundesrepublikanischen Debatten suchte. Er band eine ganze Generation junger Germanistinnen und Germanisten, die in den folgenden Jahrzehnten den wissenschaftlichen Diskurs bestimmen sollten, an den Verlag. Zugleich sorgte er für ein breites Verlagsprofil, so dass neben der äußerst erfolgreichen Reformreihe „Projekt Deutschunterricht“ auch Friedrich Sengles „Biedermeierzeit“, neben Walter Grabs „Leben und Werke norddeutscher Jakobiner“ und Helmut Lethens „Neue Sachlichkeit“ auch die Neuausgabe von Albrecht Schönes und Arthur Henkels „Emblemata“ erscheinen konnte.
Mit der „Deutschen Literaturgeschichte“ (1978) sorgte Bernd Lutz für die Blaupause der überaus erfolgreichen Serie von Metzler-Literaturgeschichten, mit dem „Brecht-Handbuch“ von Jan Knopf (1980) gab er das Muster vor für Dutzende von weiteren Autor*innen-Handbüchern des Verlags, ebenso mit dem von ihm selbst 1986 herausgegebenen „Metzler Autoren Lexikon“ für eine lange Reihe von Metzler Lexika, die Standardwerke wurden. Intellektueller Esprit, Lesbarkeit und Handlichkeit prägen diese Werke, die Wissenstransfer in ein breiteres Lesepublikum betrieben.
Die Philosophie als wichtiges Standbein des Verlags kam hinzu durch Werkausgaben, die Bernd Lutz, von seiner Heidelberger Zeit geprägt, initiierte: Karl Löwith, Franz Overbeck und Leo Strauss.
In einer Umbruchsphase des Verlags zu Beginn der 1990er Jahre setzte Bernd Lutz auf die großformatigen Nachschlagewerke, mit der Liquidität des neuen Eigners Holtzbrinck im Rücken. Der heute in den Geisteswissenschaften selbstverständliche Name „Der Neue Pauly“ war seine Erfindung – als er nämlich die Rechte an einem berühmten Metzler‘schen Werk, Paulys „Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“ zurückkaufte und mit der die Realencyclopädie beerbenden 18-bändigen Enzyklopädie „Der Neue Pauly“ nicht ohne Risiko ein wissenschaftliches Großprojekt aus dem Boden stampfte. Der Erfolg stellte sich bald ein und es folgte die Entwicklung J.B. Metzlers zum Spezialisten für Großwerke: das siebenbändige Historische Wörterbuch der „Ästhetischen Grundbegriffe“ – ein deutsch-deutsches Unternehmen aus den 1980er Jahren, an dem Bernd Lutz auch nach 1989 zäh festhielt –, das „Goethe-Handbuch“ in sechs Bänden, die historisch-kritische Edition der Goethe-Tagebücher, die Übernahmen der Mittelstraß‘schen „Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie“ und des „Lexikons des Mittelalters“, schließlich die vielbändige und innovative „Enzyklopädie der Neuzeit“. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem niederländischen Brill-Verlag, der viele der Metzler-Großwerke ins Englische übersetzte, kam eine internationale Ausstrahlung hinzu.
In seine Ägide fällt auch die Übernahme des Verlags Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar im Jahr 1998.
Bernd Lutz war ein unruhiger Geist, immer auf dem Sprung und auf der Suche nach neuen Ideen. Die Gespräche mit den Autorinnen und Autoren des Verlags waren sein Elixier, die Quelle seiner Inspiration. Wenn er sich den wachsenden Anforderungen, die die Leitung des Verlags mit sich brachte, auch beugen musste, ist er doch Lektor und auch Autor geblieben. Immer wieder hat er Hand angelegt an die Texte, nahm sie nächtelang auseinander und fügte sie wieder zusammen, besonders wenn ihm die Inhalte am Herzen lagen, wie beim Lexikon „Demokratische Wege“, dem „Brecht-Lexikon“ oder dem „Goethe-Lexikon“. Die Sprache war ihm wichtig, der Sprache gehörte seine Liebe, der Sprach-Witz war seine Art, sich mit dem Leben und der Welt zu versöhnen.
Mit Bernd Lutz, seinem Scharfsinn, seinem Unternehmungsgeist und seinem unkonventionellen Buch-Sinn verliert die Verlagswelt eine weitere ihrer Gründerpersönlichkeiten.